Der Bär, der Uhu und die Füchsin
Eine kleine Fabel

Es war einmal, so beginnen viele Märchen und Geschichten und auch diese wird diesen Weg nehmen.

Also es war einmal ein Bär. Sein Name – Herr Petz. Tief dunkelbraun war sein Fell, die Krallen scharf, die Tatzen riesig und die Zähne wirkten bedrohlich, besonders wenn er gähnte. Der Bär liebte die Vögel, die für ihn sangen, liebte das Summen der Bienen, sorgten die doch für den immer beliebten Honig, den er sehr genoss. Auch liebte er die Gespräche mit den Tieren des Waldes, mal mehr, mal weniger intensiv, mal lustig und mal tiefgründig.
Zumeist war der Bär lieb und ruhig und oft verschlafen. Das führte dazu, dass er herzhaft gähnen musste. Dieses Gähnen glich einem Knurrlaut, das riesige Maul riss er auf und zeigte eine Menge scharfer, gut geputzter riesiger Reißzähne. Nach dem Gähnen schupperte er sich den Rücken, setzte sich auf seinen Bärenpopo, nahm die Zeitung und schmatze zufrieden vor sich hin.
Der Uhu, über ihm auf einem Ast der sehr großen Rotbuche schlafend, erschrak hin und wieder über das Gebrüll, erkannte aber das Geräusch recht schnell als das, was es war - ein Ausdruck müder Zufriedenheit. Gefahr, das wusste Herr Uhu, ging von Herrn Bär nicht aus, denn er aß nie anderes als Beeren, Honig, den er von den Bienen geschenkt bekam und Obst, Blätter und Salat. Keine Tiere und schon gar keine Uhu´s.
Die Tiere des Waldes schätzten Herrn Petz, brüllte er doch auch mal laut, wenn Gefahr im Verzug war und beschützte seine Waldfamilie, wo er nur konnte. Er sah beileibe gefährlich aus, führte jedoch ein recht ruhiges Leben, las und aß, brummte und tapste durch den Wald.

Eines Tages, es war im Frühsommer, stieß Herr Bär bei seinen Erkundungstouren auf eine Fuchsfamilie, die Familie Reineke, die in der Sonne saß und frühstückte. Wie im Walde üblich, ging er vorbei, grüßte freundlich und zog seiner Wege. Füchse waren schlau und freundlich, das wusste Herr Petz und diese Familie wohnte hier seit Jahren.
Im Hintergrund hörte er ein Flüstern: „Was, wenn er uns beißt, was wenn er uns frisst, wenn er uns als Fußball durch den Wald schießt?“
Ein Stirnrunzeln später entwich ihm ein unwirsches Knurren und er drehte sich dahin zurück, woher er die flüsternde Stimme vernommen hatte. „Das würde ich nie tun. Ich beiße nicht und fresse niemanden, wie kommt ihr da drauf?“
Die Frau Füchsin, man erkannte sie an der runden Brille und dem Kopftuch, baute sich vor ihm auf, stemmte die Hände in die Hüften, besah ihn von oben nach unten und wieder zurück und intonierte im Brustton der Überzeugung: „Na das weiß doch jeder. Bären essen Fleisch, fangen kleinere Tiere nur zum Spaß, spielen mit ihnen, bis sie tot sind.“
„Aha“, antwortete Herr Petz, „und woher nehmen sie diese Weisheit?“
„Nun, das hat mir die Ratte, unten am Fluss erzählt“, ereiferte sich Frau Reineke.
„Soso, und sie glauben Frau Ratte diese Dinge über mich, obwohl sich mich kennen, seit Jahren mit mir im gleichen Wald leben? Das scheint mir nicht einleuchtend. Habe ich jemals jemanden gebissen, wenn es nicht nötig war, er nicht angegriffen hat?“
Die Füchsin kniff die Augen zusammen und keifte, „Das ist egal, aber sie könnten – sie wollen doch den ganzen Wald beherrschen, sie mit ihren riesigen Zähnen und ihrer Größe und ihrem dicken Hintern. Ich weiß das selber schon lange, schon seit damals …“, sie schwieg kryptisch und der Bär wusste genau, worauf sie anspielte.
„Ich habe ihnen geholfen, unten am Fluss, als sie am Ufer versanken, hab ich ihren Schwanz gegriffen und sie aus der Matschblase herausgezogen. Das meinen sie doch oder? Sie waren in Gefahr und ihre kleine Füchslein konnten ihnen nicht mehr helfen. Und das wissen sie. Sie haben sich damals bedankt. Warum unterstellen sie mir jetzt Boshaftigkeit?“
Die Füchsin funkelte ihn böse an, grummelte und scheuchte ihre acht kleinen Fuchswelpen in den Bau. „Das ist doch egal, sie Herr Bär sind böse und gefräßig und greifen alle an.“
„Das stimmt doch gar nicht“, grummelte Herr Bär, nachdem Frau Fuchs offensichtlich nicht weiter diskutieren wollte und ebenfalls im Fuchsbau verschwand. „Und das wissen sie ganz genau.“, brüllte er lauter hinterher, um sicher zu gehen, Gehör zu finden.
Auf dem Weg nach Hause war es zuerst still im Wald, zu still, man konnte Blätter fallen hören. Und dann wurde das Flüstern aus den Mosen und den Wipfeln mit jedem Meter lauter und lauter, nahezu ohrenbetäubend.
„Er hat gebrüllt, er hat die Füchsin angegriffen, er ist böse“, schienen die Stimmen zu berichten.
Der Bär wurde traurig, tapste nach Hause und legte sich nieder. Der Uhu saß auf dem Ast, hörte den Stimmen des Waldes zu und beobachtete stillschweigend beide Seiten.
Am frühen Morgen, die Sonne war gerade erwacht, schlug der Bär die Augen auf, weil etwas an seinem Kopf zerrte. Vor ihm, direkt unter seinen Augen saß Herr Grimbart, der Dachs und schlug seine flache Hand immer wieder auf die Wange des Bären.
„Was hast Du getan, Du hast die Füchsin angegriffen, sie ist vollkommen außer sich und hat es uns direkt berichtet.“ , schimpfte er im tiefen Brustton der Überzeugung.
Der Bär zuckte zusammen, rollte sich in die Sitzposition und sah den Dachs verstört an. „Und Du glaubst das, wo du mich schon so viele Jahre kennst?“
Er war verwirrt und schockiert, Herr Grimbart war doch ein Freund, jahrelang. Fiel dieser ihm jetzt in den Rücken? Und überhaupt, er war noch nicht einmal wach. Das Gähnen übermannte ihn, er riss das Maul auf, stieß heißen Atem aus und …schmatzte zufrieden, wie jeden Morgen.
Der Dachs jedoch schrie auf: „Du willst mich fressen? Hier und jetzt? Das hätte ich nie gedacht, dann hat die Füchsin also recht, Du bist abgrundtief böse.“ Sprachs und verschwand dreißig Meter hinter der Bärenhöhle in seinem Bau.
Der Bär war nachhaltig verstört, saß in der Höhle und schüttelte den Kopf immer und immer wieder. Was hatte er Böses getan und vor allem wem?
War er nicht immer der Beschützer des Waldes und wurde nur laut und gefährlich, wenn man sich nicht an Absprachen hielt, seine Familie angriff oder versuchte, ihn nachhaltig zu betrügen? Hatte er jemals gebissen? Ja ,er hatte!
Aber nur, wenn er direkt angegriffen wurde. Darf er sich nicht wehren, wenn er verrufen, verleumdet und gebissen wird? Stand ihm das nicht zu?
Die Gedanken kreiselten und der Bär legte sich überfordert nieder. Eine kleine Träne ran aus seinem Augenwinkel und er flüsterte „warum“. Über diese Gedanken hinweg, schlief er ein, schlief tagelang, verhielt sich ruhig, schleckte nur noch ein bisschen Resthonig und verließ den Bau nicht mehr. Der Uhu beobachtete ihn und machte sich zunehmend Gedanken. Was ist mit dem Bären, warum wehrt er sich nicht. Offensichtlich ist alles erstunken und erlogen. Fuchs und Dachs halten nicht hinterm Berg mit ihren Gerüchten. Die Füchsin begann sogar damit, andere Tiere des Waldes gegen den Bären aufzuwiegeln.

Eines wundervollen Tages klopfte es an der Bärenhöhle. Eilzustellung des Tageblatts Herr Bär flötete der Eichelhäher, der Postbote des Waldes.
„Sie haben die Titelstory“, sprachs und flog keckernd davon.
Der Bär schrak auf, setzte sich hoch und nahm die Zeitung. Nachdem er sich ausgiebig gekratzt und gegähnt hatte, begann er zu lesen. Mit jeder Zeile wurde er trauriger, saß gebückter und begann schließlich zu zittern. Unglaublich.

Der Bär Herr Petz, Grizzly, Größe 2,04m aufgerichtet, schwarzbraunes Fell und Tatzendurchmesser 32 cm, hat in den letzten 48 Stunden:
Nr. 1 „Die Fuchskinder verhauen, sie waren zu laut. Eines davon zerfleischt.
Nr. 2 Die Bienen verjagt und allen Honig gestohlen
Nr. 3 Das Gemüse des Waldes komplett allein aufgefressen
Nr. 4 Den Dachs Prügel angedroht
Nr. 5 Die Hasen gebissen.

Der Bär sank zusammen und flüsterte erstickt „aber ich hab doch meine Höhle gar nicht verlassen, Herr Uhu, ich war doch gar nicht weg hier, wie soll ich das alles gemacht haben?“
Der Uhu flog herunter, besah sich die Schlagzeile und erkannt sofort, welche Reaktionen der Leser gewünscht waren und bat den Bären, auf sich aufzupassen und die Höhle nicht zu verlassen.
„Herr Bär, der Sinn hinter diesen ganzen Intrigen ist klar. Du sollst des Waldes verwiesen werden. Die Tiere haben Angst. Du bist stark und mächtig.
Manche durchschauen die Füchsin und den Dachs, manche sind dazu nicht in der Lage. Fakt ist, es geschieht aus einem einzigen Grund, sie wollen Dich brechen, Dich verjagen, denn Du bist zu stark in ihren Augen, sie wollen Deinen Einfluss, Deine Macht.
Der Fuchs ist schlau, der Dachs denkt das von sich auch, die Hasen, Biber und Vögel laufen einfach mit, aus Trotz, Dummheit oder Ignoranz. Dachs und Fuchs nutzen die Tiere des Waldes für ihre Sache, indem sie Deine Seite der Geschichte bewusst verschweigen. Brüllst Du zurück, bist Du noch gefährlicher für sie, denn Du beginnst, Dich zu wehren. Wiederum werden Gerüchte gestartet und alle werden gelobt, die Dir Unrecht tun und allen wird geholfen, selbst wenn die Strafe für ihr Handeln absolut korrekt ist.
Ich habe es beobachtet, Tiere, die neu in den Wald ziehen, werden vor Dir gewarnt und man legt ihnen nahe, Dich zu meiden. Nur wenige haben den Mut, sich die Sache selber zu besehen. Ihre eigene Meinung zu bilden oder sogar dich zu fragen. Sie ducken sich und stimmen zu.
Der Bär ist fassungslos: „ Aber ich war in meiner Höhle, habe das nicht getan was hier steht, habe immer versucht, sie zu beschützen.“
Der Uhu schüttelt weise den Kopf: „Die vermeintlich schlauen Tiere sehen diesen Schutz als Bevormundung und in ihrer Dummheit erkennen sie nicht, was der eigentliche Zweck der Intrigen von Fuchs, Dachs und Co. ist, nämlich Dich aus dem Walde zu verjagen – sie denken nicht an die Folgen und ich denke, diese werde ich ihnen klar machen müssen.“
Der Uhu krächzte und verkündete. „Hier in drei Tagen, bei Sonnenaufgang klären wir das.“
Rauschenden Gefieders erhob er sich und verschwand in den Wolken.
Wenige Stunden später hörte der Bär den Kuckuck rufen, der die Kunde der Versammlung aller Waldtiere auf der Lichtung verbreitete.
Er beschloss, der Einladung zu folgen, sich jedoch am Rande zu halten, still zu sein.

Der Tag begann, die Lichtung füllte sich. Ganz vorn saßen die schlaue Füchsin mit ihren Kindern, der Dachs und der Uhu, dazu die Hasenchefs. Und auch die anderen Clanchefs ließen sich solch Spektakel nicht entgehen.
Bär ließ sich ganz am Ende nieder, saß still und zusammengesunken und sagte auch nichts, als sich einige winzige Waldbewohner zu ihm rüberbeugten und ihn beschimpften. Die Tiere des Waldes wurden immer aufgeregter und endlich erhob sich Uhu und schuhute dreimal, so das Ruhe einkehren möge.
„Dem Bären, unserem Bären, der uns immer beschützt hat, werden unglaubliche Taten zur Last gelegt.“
Es dauerte wenige Sekunden und schon echauffierte sich die Füchsin über das Übel und Ratte und Dachs stiegen ein.“
„Ist es nicht vielmehr so,“ schuhute der Uhu, „das Du liebe Füchsin Reineke, versuchst, den Bären Herr Petz in jeder Art und Weise zu diskreditieren, die Dir möglich ist? Denn wenn ich richtig zähle, sehe ich acht Welpen. Geboren wurden Dir acht Kinder. Aber alle hat laut Tagesblatt vor drei Tagen der Bär verhauen, die toben aber recht gesund und eines“, er nahm das Blatt zur Hand, „ hat er zerfleischt. Liebe Leute, ich zähle acht Welpen, alle gesund und munter – was seht ihr?“
Die Füchsin stellte die Rute hoch und plusterte sich auf: „ das ist doch egal, er hat sie angebrüllt“, moserte sie rum.
„Und sie Herr Grimbart Dachs, sie bekamen Prügel angedroht? Wann ist das genau gewesen?“ Der Uhu schon seine schlaue Brille auf dem Schnabel hoch und sah den Dachs eindringlich an. „Na da, da an dem Morgen.“
„Da saß ich als Zeuge zufällig in der Höhle des Bären an einem Honigtopf und stibitzte ein wenig Frühstück,“ piepste es auf einmal von der rechten Seite. Herr Mampfred Maus kletterte auf einen großen Baumstamm und stellte sein Fell auf. „Sie Herr Dachs haben den Bären geweckt, der ganz friedlich schlief und haben ihm ins Gesicht geschlagen, immer wieder. Der war noch gar nicht wach und hat nur gegähnt, sie waren der Böse.“ Der klitzekleine Mäusefinger zeigte auf den Dachs, der sich am liebsten verkriechen wollte.
„Ist das wahr, Herr Grimbart Dachs? Und bedenken Sie, ich saß auf dem Baum neben der Höhle, ich kenne die Wahrheit, möchte sie aber von ihnen ausgesprochen wissen.“
„Ja, das ist wahr“, maulte der Dachs recht angefressen.
„Und die Herren Lampe“, der Uhu zeigte auf die ganze Hasenbande vorn vor dem Uhupult. „Bitte sind sie so nett und zeigen mir die Bisswunden, die der Bär einem von Ihnen beigebracht haben soll. Wie ich zähle, sind sie vollständig, gefressen hat Herr Bär schon mal niemanden. Also, wen hat er gebissen und wann genau?“
Die Hasenmänner gaben allesamt ein unmännliches Fiepen von sich und duckten sich tief ins Gras. Nur Harry Hase sagte „Das ist doch egal, er hat gar keinen gebissen, aber er könnte, deswegen muss er weg.“
„Aha, wieder eine Lüge also. Nun gut, nehmen wir mal an, der Bär ginge und suchte sich eine andere Spielwiese. Was dann Frau Füchsin? Was dann Herr Dachs? Werden sie die Familie beschützen, vielleicht vor jenen dort?“
Der Flügel ging aufwärts und zeigte direkt auf Meister Isegrim, der sich schon das Maul leckend, um den Festplatz herumbewegte.
„Oder werden Sie Grimbart Dachs, die Stimme erheben, wenn Herr Isegrim eines der Hasenkinder holt, und bei den Göttern des Waldes, Herr Isegrim ist oft genug überführt worden, er tut so etwas. Nachweislich.“
Der Uhu sah Isegrim in die Augen, die dort mordlustig funkelten, während er die Kreise um die Beutetiere enger zog.
Alle Tiere begannen unruhig zu werden, als Herr Petz aufstand, zu Herrn Isegrim nickte und mit lauter, aber ruhiger Stimme sagte.
„Wenn man mich nicht haben will, werde ich dahin gehen, wo ich von Nutzen bin. Ich hätte nie gedacht, so verraten zu werden.“ Er drehte sich um und verließ den Festplatz.
Ein Zischen ging durch die Massen, ein Räuspern und ein Raunen flog über die Bäume und die Worte nahmen Gestalt an, wurden verständlich und jagten den Anwesenden Schauer über den Rücken.
In einer der hinteren Reihen stand er da, Herr Hirsch. Er erhob stolz sein erhabenes Geweih und sprach: „Frau Reineke Fuchs, Du hast gelogen, nur um Macht zu erlangen. Grimbart Dachs und ihr, die Herren Lampe, habt ihn vertrieben um Euer Ansehen zu heben. Wir holen ihn zurück, er hat niemals angegriffen, sich nur gewehrt und reagiert, wenn man ihn übers Ohr hauen wollte. Ihr wollt uns beschützen? Ihr? Denen wir nichts glauben können? Eure Lügen haben kurze Beine und für viele Dinge gibt es Beweise, die Eure Lügen aufdecken werden, wenn ihr unseren Petz nicht in Frieden lasst.“
Er sah in die Runde, nickte Herrn Uhu zu, der sofort auf einem der acht Enden des Geweihs Platz nahm, und sagte abschließend laut: „Wir gehen jetzt beim Bären Kaffee trinken, er ist unser Freund und merkt Euch:

Und die Moral von der Geschicht‘ , kennst Du beide Seiten nicht,
traue nur dem dem eignen Bauch, denn die Schlauen lügen auch!!!“

{ zurück }